Diagnose – Kind mit Behinderung

Wie du bereits weißt ist Julia schwer- und mehrfachbehindert. Sie leidet an einer Sehbehinderung, sowie einer körperlichen und geistigen Behinderung.

Heute berichte ich über den Anfang von Julias Geschichte.

Die Schwangerschaft verlief ohne Probleme, außer einer schweren Magengrippe in der 9. Schwangerschaftswoche, welche eine Blutung auslöste. Ob das irgendwie eine Rolle spielt, konnte bislang nicht geklärt werden. Alles lief gut, Organscreening war unauffällig. Mir wurde sogar gesagt, dass das Gehirn des Fötus „groß und gut entwickelt ist“. Ich habe sogar freiwillig eine Wachstumskontrolle in der 32. Schwangerschaftswoche machen lassen. Alles unauffällig. Das habe ich schriftlich! Dann, erst in der 36. Schwangerschaftswoche entdeckte der Assistenzarzt rein zufällig bei einem Standard-Ultraschall nach dem CTG im Krankenhaus, dass der Balken zwischen den beiden Gehirnhaelften fehlt. Dann wurde ich in diverse Krankenhäuser geschickt und musste viele Untersuchungen über mich ergehen lassen. Zum Beispiel auch ein MRT in einem großen österreichischen Krankenhaus. Der Befund wurde aber anschließend ins falsche Krankenhaus geschickt und noch bevor ich den Befund erhielt, hatte ich bereits entbunden. Zum Glück, denn es war eine schöne Geburt, die nur 3 Stunden dauerte. Am nächsten Tag bekam ich den „kompletten“ Befund. Es hat mir und meinem Mann den Boden unter den Füßen weggerissen. Ich habe ganz ehrlich geglaubt, dass ich den Verstand verliere. Viele Ärzte waren bei mir und haben mir alles Mögliche erzählt. „Baufehler“ im Gehirn wurde uns von einem Arzt erklärt. Wir müssten mindestens mit einer mittelgradigen Behinderung rechnen. Epileptische Anfälle seien wahrscheinlich. Keine Ahnung was noch alles gesagt wurde. Ein ganze Truppe von Ärzten war bei mir und haben non-stop auf mich eingeredet. Einer löste den Anderen ab. Bei einem Gespräch kollabierte ich mit einem Blutsturz im Flur mit einem der Spezialisten. Daraufhin wurde ich ins Zimmer gebracht, in Anwesenheit des Spezialisten von Julia gesäubert und anschließend ging das Horror-Gespräch einfach weiter, als tauschten wir Rezepte aus oder was! Ich war nur noch auf Autopilot und nicht in der Verfassung mich dagegen zu wehren. Ich wollte nur raus. Weg von all den glücklichen Müttern mit ihren gesunden Babys. Sie haben mich in dem Moment nur noch angewidert. (So schrecklich das jetzt klingt, ich weiß) Ich hatte das Gefühl ich müsse Julia vor den Medizinern schützen. Was natürlich absurd ist, aber so habe ich mich gefühlt. Da das Stillen trotzdem gut funktionierte, wurden wir nach wenigen Tagen ganz normal entlassen. Sozusagen, „Wir können nichts für Sie tun, kommen Sie, wenn das Kind anfängt zu krampfen.“ Mir wurde ja alles Mögliche erzählt, nur gratuliert hat mir leider niemand. Das war hart. Einen Tag nach der Entlassung hatten wir einen Termin in der Sehschule in St. Pölten. Wir haben beim BIZ geparkt und sind das kurze Stück zu Fuß gegangen. Kurz vor dem Mühlbach bemerkte ich wie (ich trug eine Netzhose und 2 Einlagen von der Geburtenstation) mir eine Einlage verrutschte. Zum Glück trug ich einen schwarzen Rock, denn es war Juli. Da niemand in der Nähe war, zog ich sie diskret raus und stopfte sie in meine Tasche. (war sauber) wenige Schritte weiter auf der Brücke bemerkte ich wie die zweite Einlage verrutschte. Ich habe mich sehr gewundert und plötzlich fiel mir ein riesen Blutpfropf raus, am Bein entlang runter und auf den Gehsteig. Es sah aus wie eine Packung Gulaschfleisch. Mein Mann und ich waren geschockt. In dem Moment fing es an zu schütten, ein starkes Gewitter brach los, wir konnten uns samt Kinderwagen gerade noch in die Ausfahrt des Parkhauses gegenüber vom Spital retten. Mir wurde indes sehr schlecht, ich hatte eine Art Kreislaufzusammenbruch und mein Mann rief die Rettung. Ich hätte unmöglich die paar Meter gehen können. Man stellte extrem viele Fragen, anstatt einfach eine Rettung rüber zu schicken. Irgendwann nach etlichen Minuten fuhr eine Rettung raus (damals noch bei Haus A in Sichtweite vom Parkhaus, fuhr rund ums Gebäude und fuhr dann vom Mühlweg zum Parkhaus. Rund ums ganze Gebäude! Dann schnauze die Notaerztin meinen Mann an :“Diese Frau gehört ins Krankenhaus.“ „Ich gehe eh nicht einkaufen“, hat er dann zurückgeschnauzt. Ich wurde nach 20 Minuten mit der Rettung ins Krankenhaus gebracht, man ist extrem langsam gefahren, aber trotzdem durften mein Mann und Julia nicht mitfahren, trotz Gewitter, denn man konnte ja den Kinderwagen nicht sichern! Er musste im Regen hinüber laufen und ging mit Baby zum Augenarzt. Den Blutpfropf ließ man einfach am Gehsteig liegen! Wochen und Monate später sah man noch die Blutspur! Noch heute denke ich daran, wenn ich an dieser Stelle vorbei komme. Ich wurde erneut stationär aufgenommen und 2 Stunden später kam mein Mann zu mir und sagte mir, dass unsere Tochter eine Sehbehinderung hat und diese sei mit einer Brille nicht auszugleichen. Das war der schlimmste Tag meines Lebens. (Mein Mann erkältete sich auch noch bei diesem Vorfall) Seither sind mir auch ähnlich ungeheuerliche Dinge passiert. Davon berichte ich ja hier regelmäßig.

#nevergiveup

Was ich mir wünsche und was nie in Erfüllung gehen wird ist, dass ich gerne in die Vergangenheit reisen würde und dem Ich von damals erzählen würde, dass es irgendwann besser wird. Dass die Trauer in den Hintergrund rückt (ich glaube nicht, dass sie jemals komplett vergehen wird, zumindest ich persönlich werde immer wieder verpasste Momente und Chancen betrauern, wahrscheinlich ergeht es dir ähnlich) und die Liebe für das Kind in den Vordergrund rückt. Ich würde gerne sagen, dass ein Kind mit Behinderung nicht das Ende der Welt ist, sondern der Anfang von einer ganz außergewöhnlichen Reise. Und auch, dass meine Liebe und Akzeptanz für mein Kind so stark werden wird, dass ich mir ein anderes Leben nicht mehr vorstellen könnte.

Julia ist so wundervoll und einzigartig, dass ich sie niemand anderen gönnen würde. Die ganze Welt sollte mich um meine wunderbare Tochter beneiden!

Ich wünschte mir mein Ich von damals könnte diese Zeilen lesen!

Wichtige Informationen

Pflege Unterstützung

Warum bin ich hier?

https://hoffengegenhoffnung.wordpress.com/2021/09/04/mutter-vs-pflegerin/

56 Kommentare zu „Diagnose – Kind mit Behinderung

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