Wenn man kein Glück hat, kommt das Pech dazu

Das letzte Quartal hatte es wirklich in sich. Ich meine, ganz vorbei ist es ja noch nicht, was auch irgendwie beunruhigend ist, aber was soll’s. Genug zu erzählen habe ich trotzdem. Das Ganze fing eigentlich mit der Überprüfung des Finanzamtes bezüglich der erhöhten Familienbeihilfe an. Julia wurde heuer 6 Jahre alt und wurde im September schulpflichtig. Aufgrund ihrer umfangreichen Mehrfachbehinderung besucht Julia den inklusiven Unterricht einer Sonderschule in einem heilpädagogischen Förderzentrum. Dass dieses, mein Kind, überhaupt einer Überprüfung unterzogen wird, ist an sich schon eine Unverschämtheit, schließlich wird sie ihre komplexen Gehirnfehlbildungen im Großhirn, ihre Epilepsie und ihre schwere Sehbehinderung, nicht so nebenbei auskurieren können. Gott weiß, ich wünschte es wäre so. Sie sind, zeit ihres Lebens. Mir wurde eine schriftliche Einladung für Ende September zugeschickt. Julia solle vom Amtsarzt begutachtet werden. Wenige Tage davor erkrankte ich an Covid – 19 und Julia wenige Tage später ebenso. Dadurch war ich, wie auf dem Schreiben ausdrücklich formuliert, gezwungen diesen Termin telefonisch abzusagen. Mir wurde zugesichert, dass ein neuer Termin zugesandt werden wird. Stattdessen erhielt ich eine Ablehnung und zwar mit der Begründung, dass man nach Begutachtung zum Schluss gekommen sei, dass kein weiterer Anspruch auf den Bezug erhöhter Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind bestehe. Obwohl sie das Kind gar nicht zu Gesicht bekommen haben. Ungeheuerlich sowas! Das ganze Verfahren wurde natürlich nach meinem Einspruch neu aufgerollt und dauert noch immer an. In der Zwischenzeit wird die erhöhte Familienbeihilfe nicht ausbezahlt. Pech gehabt.

Im Oktober dann der legendäre Oberschenkelbruch. Julia kam mit dem Fahrtendienst von der Schule nach Hause und hatte einen gebrochenen Oberschenkel. Das wusste zu diesem Zeitpunkt noch niemand. Dies wurde erst drei Tage später richtig diagnostiziert, aufgrund massiver Behandlungsfehler im Krankenhaus. Leider reichte all das nicht, denn es kam wie es kommen musste, der Gips war nicht passgenau und verursache solche massiven Druckstellen, dass Julia schließlich einen Dekubitus an der linken Ferse hatte. Sie entsprach in etwa der Größe einer 2 – Euro Münze und ist noch heute, 1,5 Monate nach Gipsabnahme, nicht vollständig abgeheilt. Selbst der Dekubitus wurde nicht optimal nachversorgt und es kam zu einigen Streitgesprächen mit diversen Ärzten, weil man mein Kind und auch mich respektlos behandelt hat.

Nur 10 Tage nach der Gipsabnahme erkrankte Julia sehr schwer an RSV und musste in ein anderes Bundesland auf die Kinder Intensivstation verlegt werden. Sie hatte einen schweren Verlauf dieses Virus, welcher eine schlimme Lungenentzündung und akute Atemnot verursachte. Sie ist gerade noch an einer Intubation vorbeigeschrammt. Über Stunden war ihr Puls besorgniserregend hoch, sodass ihr Herz Grund zur Sorge bereitete. Tagelang hing sie am Sauerstoff, wurde über eine Magensonde ernährt und war von Schlafmitteln ausgeschaltet. Nach 5 Tagen konnte die Kleine auf die normale Station verlegt werden. 5 Tage, die sich für mich anfühlten wie 5 Jahre. Ich habe diese besondere Erschöpfung erlebt, wie es nur Eltern besonderer Kinder kennen. Ein Zustand der weitreichender ist, als jede andere Art von Müdigkeit, die der Mensch empfinden kann. Und ich habe mal wieder mit ihr Bekanntschaft gemacht. Doch kaum, dass meine Tochter auf die normale Station verlegt worden war, konnte ich diesen extremen Gemütszustand abwerfen. In dieser Hinsicht bin ich wie eine Schlage, häute mich einfach und weiter geht’s. Julia konnte sich relativ rasch von dieser unglaublichen, lebensbedrohlichen Odyssee erholen, wofür ich unendlich dankbar bin. Mein Kind erdet mich und lehrt mich Bescheidenheit.

Zuhause kurierte Julia sich gerade so lange aus, dass sie fit genug für die Grippeschutzimpfung war. Nur um Tage darauf an Scharlach zu erkranken. Ein Infekt, den mein jüngster Sohn vom Kindergarten angeschleppt hat. Während alle meine Kinder und mein Ehemann, einer nach dem anderen, erkrankten, flatterte auch noch ein weiteres Schreiben in unser Heim. Die Pensionsversicherungsanstalt macht ihre jährlich Überprüfung der pflegenden Angehörigen. Da ich für die Zeit der Pflege durch Julia pensionsversichert bin, werde ich einmal im Jahr überprüft. Das zu einer Zeit, in der Julia aufgrund eines Bearbeitungsfehlers, keine erhöhte Familienbeihilfe bezieht. Angeblich, weil sie nicht mehr behindert ist. Jetzt befürchte ich eine Kettenreaktion und weitere Komplikationen. Dabei hat Julia Pflegestufe 7, die höchste überhaupt.

Dieses Jahr hat mich schon so oft auf die Knie gezwungen. Das Jahr 2022 erinnert mich an die Jahre 2018 und 2019. Was ich mir sehnlichst wünsche, ist eine Glückssträhne desselben Ausmaßes wie diese verdammte Pechsträhne.

Denn wenn man kein Glück hat, kommt das Pech dazu!

Von Knochenbruch, Wartezeit und Fehldiagnose

Mein Mann und seine Trauer

Wut

Pflegestufe

Im Warteraum auf Raum warten

Julia, das unterschätzte Genie

Konsequenzen

Erstelle eine Website wie diese mit WordPress.com
Jetzt starten